EHRENAMTSPREIS „DER ESEL, DER AUF ROSEN GEHT“

Zum 19. Mal wurden am Samstagabend im nt die wichtigsten Ehrenamtspreise im südlichen Sachsen-Anhalt vergeben. Erstmals wurde dafür auch online gevotet.

Von Dirk Skrzypczak

Preis der Initiatoren: Helmut Brade

Helmut Brade

Helmut Brade ist ein international anerkannter Bühnenbildner, Grafiker - und auch Maler.
Er wurde mit dem Preis der Initiatoren - nt, Volksbank und MZ - für seine Verdienste für die Stadt Halle geehrt. (Foto: Steffen Schellhorn)

Halle (Saale)/MZ - Wer zu Helmut Brade möchte, braucht Puste. Die Stufen durch die alte Villa im Paulusviertel hinauf in sein Atelier zählt man irgendwann nicht mehr. Und mit jedem Höhenmeter wird es wärmer.

Der 85-Jährige steht oben gut gelaunt in der Wohnungstür. Der Fahrstuhl funktioniere irgendwann mal wieder, vielleicht in acht Wochen, und die Wärme des Sommers brauche er, „um venezianisch zu malen“. Auf Stafetten in der lichtdurchfluteten Werkstatt stehen Gemälde mit Motiven aus Venedig neben Industrieruinen aus Böllberg. „Venedig ist Kitsch. Aber abseits des Canale Grande sieht es etwas aus wie Halle“, erzählt er und schiebt ein „Ich spinne auch“ gleich hinterher. Er habe die Idee gehabt, „Böllberg so schön wie Venedig zu malen und Venedig etwas hässlicher wie Böllberg“. Daraus spricht Brades tiefe Liebe zu Halle. Über seine Gefühle zur Stadt sagt er nur: „Ich kann es nicht ändern.“ Und er will es auch gar nicht. Der Grafiker, Bühnenbildner und emeritierte Professor der Burg Giebichenstein ist ein Lokalpatriot.

Bei einem Plausch mit Brade verschwimmen Raum und Zeit. Der Journalist Günter Kowa hat es zu Brades 80. Geburtstag treffend beschrieben. In seiner Gegenwart werde das Leben durch die Kunst geadelt, sie sei da, um Freude zu bringen. Freude bedeutet für ihn fast das ganze Leben lang Theater.

Schon als Elfjähriger steht er im Schultheater in Schulpforte als Statist auf der Bühne. Die Bühne, die will er selbst gestalten. Doch die Theaterhochschule Leipzig lehnt ihn ab. „Meine Persönlichkeit reiche nicht aus, hatte man mir gesagt.“ Angesichts seines Lebenswerks klingt das wie der Treppenwitz des Jahrhunderts. Und es kommt noch besser.

An der Burg Giebichenstein wird er für das Keramik-Studium zwar genommen, aber was er so vorzeige, „sei ja nicht so doll“. Brade erzählt diese Anekdoten mit einer wunderbaren Leichtigkeit. Doch es ist Schulfreund Achim Freyer, ein gefeierter Regisseur, der zum Zünglein an der Waage wird. „Du bist ein schlechter Maler, aber ein genialer Bühnenbildner“, hatte er über Brade geurteilt und den Kontakt zu Regisseur Benno Besson in Berlin geebnet.

Was folgte, erinnert an den Start einer Rakete ins All. Brade ist sofort ganz oben in der glitzernden Beletage der Theater- und Opernwelt. Er begleitet große Inszenierungen, für die es zwei bis fünf Jahre dauert, das Bühnenbild zu erschaffen. Freyer zum Trotz wird er ein anerkannter Künstler. Seine Werke werden auf der ganzen Welt gezeigt.

Und Halle? Hier werden täglich Tausende Reisende von Brade begrüßt und verabschiedet, ohne es zu wissen. Die Zoo-Reklame am Wasserturm nahe des Hauptbahnhofs ist aus seiner Hand, ebenso die großen Frauen und Männer der Stadt, die in der Unterführung auf dem Riebeckplatz den eilenden Passanten sagen, was sie mit der Saalestadt verbinden. Und was verbindet Brade mit Halle? Diese Stadt habe ihm die Kunst gelehrt, hatte er einmal gesagt. Die Unvollkommenheit inspiriert ihn. „Ich male lieber einen faulen Apfel als einen glänzenden“, sagt er. Das sei spannend.

Bürgerpreis: Detlef Jeschick, Seniorenverein Nauendorf

Detlef Jeschick

Detlef Jeschick engagiert sich für die Belange von Senioren.
(Foto: Dirk Skrzypczak)

Halle (Saale)/MZ - Als Detlef Jeschick 2010 in den Ruhestand ging, packte ihn die Angst. Zwar war er 1999 von Heide-Nord nach Nauendorf im Saalekreis gezogen, aber in der neuen Heimat waren er und seine Frau Brigitte Fremde. „Ich habe als Personalratsvorsitzender gearbeitet, war quasi nur zum Schlafen zu Hause. Und ich bekam Angst, dass ich jetzt im Dorf versauern könnte“, erzählt er. Doch mitunter ebnet das Leben von selbst den Weg in die richtige Richtung. Für seine berufliche Abschiedsparty suchte der heute 72-Jährige eine Bierzeltgarnitur im Ort. Fündig wurde er beim Gesangsverein. Doch die Ausleihe war an die Bedingung geknüpft, Vereinsmitglied zu werden. Musik in der Gemeinschaft waren nicht sein Ding, die Belange von Senioren schon. Also übernahm der Unruheständler zunächst den vakanten Posten als Vorsitzender der Kreisseniorenvertretung im Saalekreis. Die Jeschicks wurden zudem zu den Triebfedern des Nauendorfer Seniorenvereins.

Im Ort reibt man sich seitdem bewundernd die Augen. Detlef Jeschick sprüht vor Energie. Mit seinem Enthusiasmus und seinem stählernen Willen liefert er Ideen am Fließband. „Ich habe festgestellt, dass Vereine langsam sterben, wenn sie keine Herausforderungen mehr haben.“ Nauendorf droht das nicht. 270 Veranstaltungen organisiert der Verein im Jahr. „Bei uns wird auch geschunkelt und gesungen, aber nicht nur“, sagt Jeschick. Er mischt sich ein, streitet mit der Politik über die Belange von älteren Menschen, „der größten Bevölkerungsgruppe, die oft vergessen wird“. Es geht um Daseinsvorsorge wie Ärzte auf dem Land und die Frage, wie Senioren so lange wie möglich im heimischen Umfeld leben können – und eben nicht in ein Heim müssen. Dafür arbeitet der Verein unter seiner Regie mit der Martin-Luther-Universität zusammen. „Wir suchen auch nach Lösungen, wie ältere Menschen, die alleine sind, aus ihrer Isolation geholt werden können.“

Dreh- und Angelpunkt ist das Sport- und Freizeitzentrum, das mit seiner schieren Größe für Nauendorf überdimensioniert zu sein scheint. Von wegen! Der Verein hat das gesamte Objekt belegt. Der Platz reicht längst nicht mehr aus. In die alten Squash-Halle soll eine Kreativwerkstatt einziehen, in der Techniker, Wissenschaftler und Senioren an technischen Innovationen arbeiten sollen, die Rentnern das Leben erleichtern. In einer Testwohnung sollen die Erfindungen ausprobiert werden.

Dafür – und für Wanderungen, Ausflüge, Ausstellungen und den Bau eigener Sitzbänke für das Dorf– schrubbt Jeschick wöchentlich im Ehrenamt 40 Stunden und mehr. Der Lohn? „Wir haben es geschafft, dass wir in Nauendorf Solidarität leben. Das bringt ein Gefühl der Sicherheit, denn im Extremfall ist keiner alleine.“ Die Angst, zu versauern, ist längst gewichen.

Bürgerpreis: Stiftungsgründer Lukas Gotter

Lukas Gotter

Pfarrer Lukas Gotter hat in einer TV-Show 750.000 Euro gewonnen und den Großteil des Geldes gestiftet.
(Foto: Dirk Skrzypczak)

Halle (Saale)/MZ - Was wäre wenn? Was wäre, wenn man viel Geld gewinnt? Oder besser, was würde man damit machen? Lukas Gotter hat die Stiftung „Gemeinsam für Halle“ gegründet. Das an sich ist vielleicht nichts Besonderes, die Geschichte dahinter aber schon. 2020 saß der 35 Jahre alte Pfarrer der freikirchlichen Evangeliumsgemeinde bei der RTL-Show „Wer wird Millionär?“ auf dem Stuhl und gewann 750.000 Euro. Einen Großteil der Summe steckte er in die Stiftung, „die christliche Werte in die Gesellschaft tragen soll“. Ja, einen Teil des Geldes habe er behalten: um eine Eigentumswohnung an-, aber nicht abzuzahlen. Dafür stottert er einen Kredit ab?

„Die Menschen, die mir gesagt haben, dass ich ein stückweit bekloppt bin, kann ich nicht zählen“, sagt Gotter lachend. „Ich würde es immer wieder so entscheiden.“ Aber warum? Er sei Pfarrer einer freien Gemeinde, die von Spenden lebe. „Wir sind darauf angewiesen, dass wir Spenden erhalten, andere etwas für uns abgeben. Ich gebe jetzt etwas zurück.“ Dass er so viel Geld gewonnen habe, bezeichnet er als Führung Gottes.

Die junge Stiftung hat das Lichthaus übernommen und will es zu einem Begegnungszentrum um- und ausbauen: mit einer Kreativwerkstatt, einem professionellen Tonstudio (Gotter spielt selbst Schlagzeug), einem Kiosk für das benachbarte Feininger-Gymnasium und Räumen etwas für Bibelmassagen. „Wir wollen zudem andere unterstützen, ihre Träume zu verwirklichen.“

Was wäre wenn? Diese Frage stellt sich Lukas Gotter übrigens auch. Als er bei Moderator Günther Jauch vor der Zwei-Millionen-Euro-Frage stand, hatte er noch einen Joker – seinen Vater. Wer habe für die BRD 1990 den Einigungsvertrag unterzeichnet? Der Vater wusste es: Wolfgang Schäuble. Sohn Lukas traute sich trotzdem nicht. „Ich wollte nicht zocken. Das Risiko war mir zu hoch.“ Was er wohl mit zwei Millionen Euro gemacht hätte? Gotter schweigt kurz, dann winkt er ab. „Ich hatte großes Glück, so eine Chance zu bekommen. Es gibt wichtige Dinge als Geld.“ Anderen damit zu helfen beispielsweise.

Bürgerpreis: Gerd Micheel, Wohltäter für behinderte Menschen

Gerd Micheel

Gerd Micheel kümmert sich seit 25 Jahren um behinderte Menschen.
(Foto: Steffen Schellhorn)

Halle (Saale)/MZ - Das wird nie was! Du bist verrückt! Es sind diese Sätze, die das ehrenamtliche Engagement von Gerd Micheel seit 25 Jahren begleiten. Seitdem hat er mit dem Förderverein Pro Handicap und Partnern über eine Million Euro an Spenden gesammelt – vor allem für behinderte Menschen. „Die Wärme, das Lächeln, die Menschlichkeit. Das ist etwas Wunderbares“, sagt der Unternehmer, der am Hansering in Halle ein Küchenstudio betreibt.

Hunderte Stunden pro Jahr investiert er in Projekte und Hilfsaktionen, um anderen zu helfen. „Mit seinem herausragenden und uneigennützigen Engagement gestaltet er einen wesentlichen Teil des sozialen Lebens in Halle“, lobt der Verein „Mit Handicap leben“.

Gerd Micheel ist schon immer ein umtriebiger Zeitgenosse gewesen, der lieber anpackt, als auf andere zu warten. Mit zehn Jahren gründet er in Celle so etwas wie sein erstes Unternehmern. Er züchtet Kaninchen und verkauft die Tiere. Nach dem Mauerfall kommt er nach Halle, wird hier sesshaft. Als ihn 1998 die damalige Oberbürgermeisterin Dagmar Szabados (SPD) bittet, den Allgemeinen Behindertenverband zu unterstützen, „bei dem es an allen Ecken und Enden brennt“, wie sie sagte, entdeckt er sein großes Herz für andere. „Alleine kann man wenig ausrichten. Da braucht man schon einen Verein“, erzählt Micheel. Das hätten andere schon versucht. Das wird nie was, bekam er zu hören. Doch, es klappt. Und es reicht ihm nicht.

Der Unternehmer organisiert mit Persönlichkeiten wie Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) regelmäßige Benefizkochen. Von den Erlösen werden beispielsweise Begegnungsstätten barrierefrei umgebaut. Bundesweit in die Schlagzeilen kommt der „Hallunke“, als er mit der großen HFC-Familie 2014 ein Haus in Merseburg baut, damit die schwerkranke Stella mit ihren Eltern ein behindertengerechtes Zuhause bekommt. „Als ich das Kind in der alten Wohnung sah, die von vorn bis hinten nicht reichte, kamen mit der Tränen“, erinnert er sich. Und allen Widrigkeiten zum Trotz boxte er das Vorhaben durch. Das trifft auch auf seinen eigenen Betrieb zu.

Seit Jahren beschäftigt der Familienvater und mehrfache Opa eine behinderte junge Frau. Laura hatte 500 Bewerbungen für einen Job geschrieben und nur Absagen erhalten. Gerd Micheel stellte sie ein. „Ich bin gesund. Anderen, die nicht so viel Glück haben, ein Lebensziel zu geben, ist etwas Tolles“, sagt er. Er hoffe, dass mehr Firmen dem Beispiel folgten.

Beruflich wie im Ehrenamt denkt Micheel nicht an Ruhestand. „Ich hoffe, dass ich das noch mindestens zehn Jahre machen kann“, sagt er. Und dabei zitiert er seinen Vater. Der habe ihm gesagt, dass derjenige, der gern gebe, auch etwas vom Leben zurückbekomme. „Und das ist viel mehr, als ich selbst gegeben habe.“

Preis der Jury: Crummes Eck, die Lebensmittelretter

Crummes Eck, Cathleen Raabe-Rosendahl, Anja Ehlert

Cathleen Raabe-Rosendahl (links) und Anja Ehlert gehören zum Team des Crummen Ecks.
Sie retten Lebensmittel vor der Tonne.
(Foto: Dirk Skrzypczak)

Halle (Saale)/MZ - Im Crummen Eck im Paulusviertel ist es wie in einem Tante-Emma-Laden. Auf einem Tisch in der Mitte stehen Kisten mit Obst und Gemüse. In Regalen findet man Konserven, aber auch Mittel gegen Mückenschutz. Das Besondere an diesem „Geschäft“: Die Lebensmittel wären eigentlich in der Tonne gelandet – weil beispielsweise das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist. „Es ist erschreckend, wie viele Nahrungsmittel in der Gesellschaft weggeworfen werden“, sagt Cathleen „Lena“ Raabe-Rosendahl. Das Crumme Eck, 2018 über eine Crowdfunding-Aktion ins Leben gerufen, kämpft gegen diese Verschwendung. „Das ist unser Beitrag zur Nachhaltigkeit“, sagt Anja Ehlert, die wie Lena ehrenamtlich im Ceck-Verein arbeitet.

Das Crumme Eck arbeitet mit Supermärkten und anderen Geschäften zusammen. „Viele finden die Initiative super, dürfen aber nicht mitmachen, weil es die Chefetagen in den Zentralen nicht erlauben“, erzählt Raabe-Rosendahl. Andere unterstützen den Verein, wollen namentlich aber lieber nicht erwähnt werden. Das klingt angesichts der guten Sache absurd. Die Nachfrage der Kunden ist übrigens groß. „Wir sprechen mit unserem Angebot nicht nur Bedürftige an, sondern alle, die nachhaltig leben wollen“, sagen die beiden Frauen.

Dreimal die Woche hat das Crumme Eck offen. Die Nachfrage ist so riesig, dass sich mitunter schon Stunden vor der Eröffnung eine Schlange vor dem Laden im Paulusviertel bildet. Um zu vermeiden, dass die Ersten im Laden alles mitnehmen, wurden Mengengrenzen eingeführt. Wer gleich zu Beginn kommt, darf maximal Waren im Gesamtgewicht von einem Kilo holen. Erst später wird es mehr, damit keine verderblichen Lebensmittel übrigbleiben.

Bezahlt wird übrigens mit Spenden. Die Orientierung liegt bei einem Euro pro Kilo – mehr zu geben, ist immer möglich. Mit dem Geld bezahlt der Verein die Unterhaltskosten und finanziert Bildungsprojekte etwa in Grundschulen und Kitas. Die aktiven Unterstützer im und auch außerhalb des Vereins sind alle berufstätig oder Studenten. Cathleen Raabe-Rosendahl (40) beispielsweise arbeitet als Juristin an der Universität, Anja Ehlert (34) ist Fachangestellte für Medieninformationswissenschaften in einer Bibliothek. „Das Crumme Eck hat uns verändert“, erzählen sie. „Wir überlegen zu Hause dreimal, ob wir wirklich etwas wegwerfen müssen.“

Publikumspreis nach Online-Voting: Rock Your Life

Rock your life, Anna Zemmrich, Luzie Hahn

Rock your life: Anna Zemmrich (inks) und Luzie Hahn kämpfen mit ihrem Verein für gleiche Bildungschancen bei Jugendlichen.
(Foto: Dirk Skrzypczak)

Halle (Saale)/MZ - Manchmal sind es die vermeintlich kleinen Dinge im Leben, die eine große Wirkung haben. Anna Zemmrich erinnert sich an eine Fahrt mit Jugendlichen nach Berlin. „Einer der Teilnehmer hatte noch nie in einem ICE gesessen. Die ganze Fahrt leuchteten seine Augen. Dieses Lächeln zu sehen, ist für uns Belohnung genug“, sagt die Jury-Studentin (21). Zusammen mit Luzie Hahn (22), die Grundschullehramt studiert, organisiert sie den Verein „Rock Your Life“, der Schüler aus achten und neunten Klassen dabei hilft, das Leben zu rocken – nicht mit Partys, sondern für schulische Abschlüsse oder als Anschubhilfe für eine Ausbildung.

„Bildungsgerechtigkeit ist leider viel zu oft eine Sache des Geldbeutels. Kommen Jugendliche aus sozial schwachen Familien, fühlen sie sich oft abgehängt“, erzählt Luzie. Deshalb richtet sich das Mentor-Programm des Vereins vor allem an junge Menschen, die in der Neustadt oder der Südstadt aufwachsen, in Halles Plattenbausiedlungen. „Wir wollen den Mädchen und Jungen zeigen, dass sie alles erreichen können, was sie wollen“, sagt Anna.

Jeder Charakter ist individuell, jeder Jugendliche hat andere Wünsche, manche hängen in Traumata fest. Die Palette reicht von besseren Schulnoten bis zu mehr Sportlichkeit oder auch Kontaktfreude – einige der heranwachsenden Klienten von Rock Your Life haben Probleme, mit anderen frei zu reden. Für nahezu alle dieser Defizite und seelischen Wehwehchen hat der Verein passende Studenten, die sich ehrenamtlich der Schüler annehmen und sie ein Jahr lang begleiten. „Die Patenschaften werden wie bei einem Speed-Dating ausgesucht“, sagt Luzie. Derzeit gibt es zwölf dieser Mentor-Schüler-Beziehungen. Die Studenten spielen sich dabei nicht als die Oberlehrer auf, die den Jugendlichen das Leben erklären. Sie verstehen sich eher als große Brüder oder Schwestern.

Seit 2015 gibt es Rock Your Life in Halle, und die Ergebnisse sind laut Verein so ermutigend, dass das Mentoring auf jeden Fall fortgesetzt wird. Die jungen Leute bleiben dabei nicht in eigenen Blasen. Einmal pro Monat treffen sich alle Kohorten. Bei diesen Terminen erleben alle gemeinsam Kultur, Geschichte, Politik oder Sport. Und was bringt es Luzie und Anna? „Mit einem Ehrenamt kann man kein Geld verdienen. Aber man bekommt von den Jugendlichen ungemein viel zurück. Das lässt sich nicht bezahlen“, sagen sie.

Die Preisverleihung fand am 1. Juli 2023 im Neuen Theater Halle statt.